Veranstaltung: | Landesparteitag Schleswig-Holstein 25./26. März 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | 5. Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Gesundheit (dort beschlossen am: 22.02.2023) |
Status: | Angenommen |
Eingereicht: | 03.04.2023, 23:13 |
Antragshistorie: | Version 1 |
V7NEU: Umsatzsteuerbefreiung für Gemüse, Hülsenfrüchte & Obst
Antragstext
Der Landesparteitag möge beschließen:
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein (LAG Gesundheit) fordern den
Umsatzsteuersatz auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte auf null Prozent zu senken.
- Dies ist ein wichtiger sozialpolitischer Baustein, um Menschen mit
geringem Einkommen und besonders Familien mit Kindern zu entlasten
- Die Maßnahme ist ein wichtiger Teil einer nachhaltigen Gesundheitswende,
- unterstützt die Forderung der UN, den Anteil an „verfrühten“ Todesfällen
zu reduzieren und langfristig unser Gesundheitssystem zu entlasten,
- ist ein erster Schritt zu einer Pflanzenbasierten, Tierleid-freien
Ernährung
- und entfaltet somit Synergie-Effekte im Bereich Klima, Tierschutz,
Ernährung und Gesundheit („climate health diet“).
Dieser Antrag ist ausdrücklich als Unterstützung der Ernährungsinitiative
unseres Bundesministers Cem Özdemir zu verstehen. Allerdings sollen die
Maßnahmen erst ab 2025 umgesetzt werden. Dies ist eindeutig zu spät – die
Inflation belastet die Menschen jetzt.
Die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/Die Grünen möge den Antrag zeitnah
umsetzen - bereits 2023. Die Landtagsfraktion wird gebeten, die Maßnahme
parallel im Rahmen einer Bundesratsinitiative zu unterstützen.
Bei der Umsetzung der Mehrwertsteuerbefreiung soll darauf geachtet werden,dass
keine landwirtschaftlichen Betriebe benachteiligt werden,insbesondere keine
kleinen und mittleren Betriebe,die steuerrechtlich pauschalieren.
Begründung
Über die Hälfte der Krankheiten in der westlichen Welt sind die Folge einer jahrelangen Fehlernährung. Zahlreiche Studien belegen, dass besonders der ausreichende Verzehr von Gemüse, Hülsenfrüchten und Obst einen präventiven Effekt auf unsereGesundheit hat. Auf der anderen Seite sind in den letzten Monaten die Kosten für diese Lebensmittel dramatisch gestiegen. Besonders Familien mit geringem Einkommen können sich eine gesunde Ernährung kaum noch leisten. Somit wäre der Wegfall der Mehrwertsteuer (7%) ein Betrag, diesen ungewöhnlichen Preisanstieg zu dämpfen.
Die Maßnahme wird von zahlreichen Verbänden unterstützt. Zwei Drittel der Menschen in Deutschland sind für die Abschaffung der Umsatzsteuer auf klimafreundliche pflanzliche Lebensmittel. Interessant: Das Tierwohl steht bei der Argumentation unseren Bürger*innen sogar noch über den Klimaargumenten: Die meisten Bürger*innen befürworten eine Steuer auf Fleisch von bis zu 40 Cent pro Kilogramm, deren Einnahmen dem Tierwohl zugutekommen. (Umfragestudie, Uni Hamburg, 16.02.2023, „Nature Food“ 5).
Wir wollen aber Lebensmittel nicht weiter verteuern, sondern Menschen ein wenig belohnen, und daher die Umsatz-St. für ausgewählte Lebensmittel auf Null senken.
Der Report1 „GLOBAL ENVIRONMENT OUTLOOK GEO-6“ des Klimabeirats der UN belegt, dass unsere Landwirtschaft einer der Hauptverursacher für Treibhausgase (THG) geworden ist - der Anteil an THG beträgt etwa 30%.
Neben diesem Report gibt es inzwischen mehrere Studien (u.a. der „Fleischatlas“, Heinrich Böll Stiftung2), die zeigen, dass besonders die konventionelle Landwirtschaft einen sehr starken Einfluss auf die Freisetzung von Treibhausgasen hat. Vor allem der große Appetit auf Fleisch schadet dem Klima. Andere Lebensmittel wie Gemüse und Salat, benötigen nur ein Bruchteil an CO2. So wird beispielsweise für die Herstellung von 1 kg Rindfleisch etwa 50x bis 100x mehr CO2 verbraucht als für 1 kg Gemüse2. Nahezu 70 % der direkten Treibhausgasemissionen unserer Ernährung sind auf tierische Produkte zurückzuführen. Der hohe Fleischkonsum in Deutschland und Europa ist außerdem eine wesentliche Ursache für zahlreiche Erkrankungen, die unser Gesundheitssystem sehr belasten3.
Somit würden Maßnahmen, die den Fleischkonsum reduzieren und zugleich den Verzehr von Gemüse verstärken, mehrfach wirken und Synergien freisetzen1,2,3,4:
- Verringerung der Freisetzung von THG
- Geringere Belastung des Trinkwassers und der Luft mit Schadstoffen
- Verringerung des Einsatzes von Antibiotika und somit für das Risiko für die Entstehung von multi-resistenten Keimen
- Die Abholzung von Wäldern für die Herstellung von Tierfutter könnte reduziert werden.
- Eine Reduzierung der Fleischproduktion hätte zudem positive Effekte für das Tierwohl
- Prävention von Erkrankungen (Herzkreislauf, Osteoporose, Diabetes etc.)
- und somit Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen.
Nebeneffekt: Da die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Klima sowie Gesundheit vielen Menschen nicht bekannt ist, wäre die Maßnahme ein Anreiz, sich mit dem Thema intensiver zu beschäftigen. Zudem würden besonders Familien entlastet, die einen relativ großen Anteil des Einkommens für Lebensmittel ausgeben.
Eine gesündere Ernährung würde nicht nur die Lebensqualität von Millionen Menschen verbessern, sondern hätte auch das Potential, die Gesundheitskosten langfristig in Deutschland zu entlasten. Unsere Fehlernährung ist eine wesentliche Ursache für die meisten Erkrankungen3 und „verfrühte“ Todesfälle (durch Herzkreislauferkrankungen, Diabetes etc.) Obwohl dies durch zahlreiche Studien belegt worden ist, kümmert sich unser Gesundheitswesen fast gar nicht um die eigentlichen Ursachen. Sogar bei der Ausbildung der Medizinstudent*innen oder Weiterbildung des medizinischen Fachpersonals spielt das Thema „Fehlernährung als wesentliche Ursache zahlreicher Erkrankungen“ keine Rolle. Dies steht im krassen Missverhältnis zu der Bedeutung für unsere Gesundheit, Gesundheitskosten, Lebensqualität und nicht zuletzt für den Klimawandel.
Referenzen:
1.„GLOBAL ENVIRONMENT OUTLOOK GEO-6 HEALTHY PLANET, HEALTHY PEOPLE“ UN-Report 2018.
2. “Fleischatlas” Heinrich Böll Stiftung, Ausgabe 2018
3. GLOBAL ACTION PLAN FOR THE PREVENTION AND CONTROL OF NONCOMMUNICABLE DISEASES 2013-2020 (WHO)
4. „Klimawandel auf dem Teller“, WWF-Report 2012
5. Perino & Schwickert; Animal welfare is a stronger determinant of public support for meat taxation than climate change mitigation in Germany, Nature Food (2023), 16 February 2023
Autoren: Henning Vollert (KV Segeberg), Stephan Wiese (KV Lübeck) Daniela Kampmeyer (KV Lübeck), Eike Selonke (KV Kiel), Susanne Hilbrecht (KV Dithmarschen)
Unterstützer*innen
- Hans-Peter Hopp (KV Ostholstein)
- Doris Knabbe (KV Pinneberg)
- Katharina Diekmann (KV Pinneberg)
- Stephan Wiese (KV Lübeck)
- Bene Schwake (KV Kiel)
- Lukas Strathmann (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Zoe Engel (KV Lübeck)
- Claudia Block-Giencke (KV Stormarn)
- Leon Bossen (KV Flensburg)
- Dieter Dluzewski (KV Dithmarschen)
Änderungsanträge
- 62203 (LAG Mensch und Tier (dort beschlossen am: 22.02.2023), Zurückgezogen)
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